Head over heels. Ein Jahresrückblick.

Ach 2019, ein paar Tage hast du noch und dann bist auch du Geschichte, Erinnerung und Meilenstein zugleich. Zumindest was uns und mich als Familie betrifft. Was haben wir nicht alles erlebt, bereist und gemeinsam durchgestanden in den letzten Monaten?

Das Jahr begann ungewollt aufregend, vier Tage war 2019 alt und wir verbrachten ungeplante Tage im Krankenhaus mit Hedi. Rückblickend hatten wir verdammt nochmal richtig Angst. Angst unser Baby mitten in der Nacht durch die Stadt zu fahren, um voller Sorge ins Krankenhaus zu kommen, Angst Hedi hinter der Automatiktür zurückzulassen. Dann kam noch die tagelange Ungewissheit dazu, denn so richtig wussten wir gar nicht was passiert war und im Laufe der nächsten Monate sollten wir noch die ein oder andere, ebenfalls ungeplante Überraschung erleben. Irgendwann verließen wir das Krankenhaus, mit einer Fülle an Gedanken und Terminen und strandeten einfach so wieder im Alltag.

Wenige Tage später verbrachten wir einige Zeit am Meer, feierten einen runden Geburtstag und genossen die abendliche Aussicht auf die Hafeneinfahrt von Rotterdam, während draußen der Wind um und über unser kleines Häuschen am Meer fegte.
Generell sollten Reisen unser Jahr als Familie prägen. In loser Reihenfolge reisten wir viermal nach Mallorca und es sollte für unsere Herzen noch nicht genug sein, so vermissen wir unser „beloved Island“ sehr. Wir wohnten in einer Finca mitten im Nichts und konnten den Sternenhimmel beobachten, Hedi verliebte sich in die beiden Katzen und betreute sie rührend während unseres Aufenthalts, wir lernten unfassbar nette Menschen kennen. Wir genossen frische Mango am Strand, winkten dem Meer unzählige Male zum Abschied und kamen immer wieder zurück. Wir kauften an einer Landstraße parkend, spontan via „1 Balken 4G Empfang“ City & Colour Karten für 2020. Hedi hatte ihren Durchbruch am Meer, hatte plötzlich keine Angst mehr und wollte „mehr Meer“. Wir atmeten die Luft ein und fühlten uns zu Hause. Angekommen.

Wir reisten für einen Tag nach Holland, um der innerstädtischen Hitze zu entfliehen. Kamen immer wieder zurück ans Meer und Chocomel. Wir setzten über auf eine niederländische Insel, fuhren Lasten(familien)rad mit Hedi, fühlten uns frei. Ich reiste nach Seoul, eines meiner größten Reiseabenteuer bisher. Fotografierte tagelang, aß „Chicken & Beer“ in einer dunklen Südkoreanischen Bar und quetschte mich in überfüllte U-Bahnen, um nachts wieder in mein Hotelbett mit Blick auf die Stadt zu fallen.
Hedi und ich reisten zu zweit nach Berlin. Vater & Tochter, welch wundervolles Abenteuer was Hedi und mich noch enger zusammengebracht hat.

Und immer wieder Mallorca. Immer viel zu kurz, immer wunderschön, immer wieder zu Hause. Neue Orte, alte Bekannte. Wir kommen hoffentlich ganz bald wieder.
Wir reisten nach Fehmarn, machten den Kamin an und lauschten der Brandung, gefühlte 20m von der Kaffeemaschine und dem Kaminfeuer entfernt. Und und und …

Neben all den Reisen und Abenteuern dann der familiäre Alltag, mit all seinen Höhen und Tiefen. Hedi ging im Mai das erste Mal zur Tagesmutter in die Eingewöhnung und jetzt Monate später, ist es einfach unglaublich welch Entwicklung unser Mädchen erlebt hat. Wie selbstsicher, mutig, eigenständig und doch so schutzbedürftig sie einfach ist. Zusammen meisterten wir mehrfach Krankenhaus Besuche, lachten und kicherten und winken so ziemlich jedem „Babbaa“ (Bagger) zu. Ach Motti, du machst das echt toll. Das Leben als solches Meistern und so.

Das Jahr war und ist auch geprägt von beruflichen Neuanfängen und Herausforderungen. Ebenso von Musik, viel Musik und Playlisten-Liebe. Menschen aus unserem Umfeld sind still und heimlich, ´manchmal auch mit einem Paukenschlag gegangen. Machten Platz für neue, wundervolle Menschen, die unser Leben bereichern. Manches hat sich gefestigt, manches aufgelöst. Wir verkauften Möbel und Dinge und Diverses. Wir drehten unsere Wohnung das ein oder andere Mal und sind noch lange nicht fertig. Wir tanzten mit Hedi auf dem Arm zu unzähligen Songs durch die Küche, ins Wohnzimmer und zurück. Wir wurden enttäuscht, manchmal menschlich und ab und an einfach nur weil das gewünschte Eis nicht im Angebot war. Wir erfreuten uns an neuen Möglichkeiten und Date Nights, blickten nur kurz zurück und mit voller Vorfreude in die Zukunft. Schmiedeten Pläne und trennten uns von toxischen Energien. Und dann war da noch so viel mehr, zu viel für diesen Zeilen, aber gut konserviert in unseren Herzen. Was bleibt und was kommt? Es bleiben Momente der Freude, manchmal auch des Erschreckens und der Ungewissheit. Tage der Freiheit und Tage voller Gedanken. 2019 war gut zu uns. Und 2020? Lassen wir uns überraschen ….

72 Stunden Berlin.

„Fahr doch mit Hedi nach Berlin über das Wochenende. Lass uns mal nach günstigen Bahn-Tickets schauen.“ sagte sie. Da stand er nun im Raum der Gedanke. Papa & Tochter Wochenende in der Hauptstadt, inklusive ICE Fahrt und ohne die Mama. Warum? Mama brauchte ein paar Tage produktive und kreative Zeit, um ihre Masterarbeit nahezu fertigzustellen und ich? Ich wollte mich dieser Herausforderung stellen. Klar, ich hatte ein Jahr Elternzeit und sicherlich war ich auch tageweise mit Hedi allein. Aber drei volle Tage, dass hatten wir noch nie. Es sollte eine ganz wundervolle Zeit werden, so viel vorweg.

Drei Stunden ICE Fahrt Richtung Berlin galt es, Gott sei Dank ohne Umstiege und Verspätung zu meistern. Drei Stunden ein mittlerweile sehr agiles und neugieriges Kind in einem Zug bei Laune zu halten ist erstaunlich leicht, wenn der Sitznachbar hinter einem vier Jahre alt ist und den neugierigen Blicken zwischen den Sitzreihen eine kleine Portion Schabernack entgegenbringt oder die rüstige Dame schräg gegenüber immer wieder in unsere Richtung lächelt. Essen ist dann der finale Schlüssel zum ausgeglichenen Kind, zumindest war und ist es so bei uns. Mögen die Milchbrötchen nie alle werden. Und so verging die Zugfahrt wie im Flug und nach kurzer Orientierungsphase in der Hauptstadt galt es, das nächste Ticket zu lösen, um die Freunde zu besuchen, die uns lieber weise über das Wochenende beherbergt haben. 16 Minuten Regiobahn später, zeigte sich Berlin von einer völlig anderen und sehr idyllischen Seite. Pure Ruhe, viel Grün und ein bisschen Bullerbü-Gefühl.

Nach einem großen und kleinen „Hallo“ bezogen wir unser gemütliches Gästezimmer und Hedi bestaunte das Kinderzimmer unserer Gastgeber, fühlte sich direkt pudelwohl und spielte mit Dinos, Feuerwehrautos und setzte sich wie eine Königin auf die große Ausgabe ihres geliebten Ohren-Sessels.
Wir waren also angekommen, um uns kurz darauf direkt wieder auf den Weg zu machen, ein wenig die Umgebung zu erkunden und natürlich um Fotos zu machen. So isses halt, wenn zwei Instagrammer aufeinander treffen. Ohne Klimaanlage, dafür aber mit viel Mineralwasser und guter Laune entdeckten wir gemeinsam ein wenig die Gegend, machten kurze Stopps, um zu fotografieren und aßen Eis. Während sich Hedi einen weiteren Löffel Mango-Eis aus meinem Becher mopste, merkte ich wie unaufgeregt ich war. Unaufgeregt im Sinne von: „Läuft ja.“ Welch großartige Reisebegleitung ich da einfach an meiner Seite hatte. Wie sicher sich dieser kleine Mensch in einer neuen Umgebung zurecht fand. Wie bedacht und mutig sie war/wurde/ist.

Nach einem ausgiebigen Abendessen fielen wir alle erschöpft ins Bett und eine Mütze Schlaf konnten wir alle gut gebrauchen, so wollten wir doch am kommenden Tag Potsdam erkunden.
Nach einer ersten, erholsamen Nacht „auf dem Land“ frühstückten wir in aller Ruhe, spielten mit den Kindern und machten uns gemeinsam auf in die Stadt in der einst Friedrich der Große sommerlich residierte. Wer hätte es ihm verdenken können. Erstmalig in Potsdam staunten Hedi und ich nicht schlecht, so hatten wir das Gefühl in einer Filmkulisse unterwegs zu sein. Beeindruckende Bauten, erholsame Gärten und Hedi? Sie meisterte kichernd und zu Fuß das Kopfsteinpflaster, bestaunte Säulen oder einfach einen Grashalm. „Wie sehr sie sich einfach in den letzten Wochen verändert hat.“ dachte ich mir und dieser Gedanke erfüllte mich mit Vaterstolz. Welch Erfahrung, die ich so dankbar annahm. Nach so viel historischem Erkunden zog es uns im Anschluss in den Garten, die Kinder brauchten ein wenig Wiese und Matsch und die Eltern ein kühles Getränk. So neigte sich der zweite Tag mit einem gemeinsamen Bad der Kinder und Abendessen dem Ende zu. Während im spätsommerlichen Idyll die Sonne sank und wir alle zur Ruhe kamen.

Der Montag war gleichzeitig auch Tag der Abreise und des Erkundens der Stadt. Hedi und ich fuhren in aller Ruhe Richtung Innenstadt, da unsere Gastgeber in die KiTa bzw. zur Arbeit mussten. So besuchten Hedi und ich zwei, drei Fotomotive und gegen Nachmittag machten wir ein kleines Picknick auf der Wiese vor dem Reichstag, bevor es dann wieder nach Hause gehen sollte.
Diese Stunde auf der Wiese war geprägt von Staunen und Kichern, von Ausgelassenheit und Nähe. Ich machte ein Video für Mama zu Hause und dokumentierte ungewollt den prägendsten Moment dieser Reise. Hedi und ich spielten Fangen und sie jauchzte vor Glück. Sie war frei und zufrieden. Ich war ergriffen und stolz, verdrückte eine Träne (vielleicht auch fünf) während ich mir diese Momentaufnahme abermals ansah. In meinem Kopf fügten sich plötzlich so viele Gedanken, denn wir als Familie können alles schaffen, wenn wir nur zusammenhalten und uns gegenseitig den Rücken freihalten. Die folgende Zugfahrt Richtung Heimat beinhaltete alles von fast einer Stunde Verspätung, seltsamen Mitreisenden und und und. Sicherlich auch ein paar Zeilen wert, aber warum für solch negative Dinge Energie und Kraft verschwenden?

Focus on the good.

PS: Danke von Herzen an Cat und ihre Familie. Für das Beherbergen, Tourguide spielen, den Garten und gute Gespräche.

Einer von 5%.

„Vaterschaft verändert sich: Väter heute haben ein neues Selbstverständnis. Sie wollen sich aktiv und auch im Alltag um ihre Kinder kümmern. Gerade junge Paare wollen auch als Eltern gleichberechtigt leben. Tatsächlich erziehen und betreuen Väter ihre Kinder heute mehr als sie es von ihren eigenen Vätern kennen. Sie wünschen sich vielfach noch mehr Zeit für die Familie.“ (Auszug aus dem Väterreport 2019 des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)

Nur ca. 5% der Väter gehen nach ihrer Elternzeit in Teilzeit zurück in ihren Job, habe ich neulich auf dem Weg nach Hause irgendwo gelesen - auf dem Weg nach Hause nach Feierabend. Denn mein Jahr Elternzeit ist vorbei und nun bin ich einer von den 5%. Es ist ein gutes Gefühl diese Entscheidung getroffen zu haben, so kann und möchte ich mir aktuell nicht vorstelle, wie es wohl wäre, wenn ich wieder Vollzeit arbeiten würde und ja ich weiß: Bei den meisten der „restlichen“ 95% gibt es gute Gründe dafür oder dagegen. Mittlerweile gibt es in unserer Gesellschaft so viele unterschiedliche Lebens – und Arbeitsmodelle, da muss jeder seinen Weg finden und das versuchen wir gerade. Unseren Weg finden, klingt einfach, ist es aber nicht. Egal ob Teilzeit oder Vollzeit, da geht es plötzlich los: das Organisieren und Planen. Wer kann wann wo abholen? Arzttermin am 27.? Ja, geht…gehe ich etwas später ins Büro. Die Herausforderungen sind die gleichen, wenn auch zeitlich etwas flexibler, wenn man Teilzeit arbeitet.

Warum gehen wir diesen Weg? Das werden wir oft gefragt, manchmal führt unser Modell zu Erstaunen und/oder Neugier. Manchmal vielleicht auch zu Kopfschütteln, denn schließlich “muss” der Mann ja die Kohle nach Hause bringen. Kennt man, akzeptiert man. Wir gehen diesen Weg, weil wir freier sein möchten, freier in unserer gemeinsamen, gleichberechtigten Erziehung. Weil wir mehr Zeit als Familie verbringen möchten, mehr Auszeiten schaffen möchten.
Ob der Teilzeit-Weg einfach ist?? Sicherlich nicht, im Gegenteil. Finanzielle Aspekte, gesellschaftliche Diskussionen, Planungen… all das und noch viel mehr ist immer präsent. Aber auf der anderen Seite ist die Zeit. Zeit, die sich nicht in Geld aufwiegen lässt. Momente, die ich nicht missen möchte, die ich vielleicht verpasst hätte in Vollzeit. Und nach einer knappen ersten, vollen Woche kann ich für mich sagen: Es ist ungewohnt in Teilzeit zu arbeiten, generell wieder zu arbeiten, aber es erfüllt mich auch, weil ich a) etwas mache woran ich Spaß habe und b) eben, weil es in Teilzeit ist. Dieser Gedanke macht mich deutlich entspannter und glücklicher in meinem väterlichen Alltag bzw. in unserem Familienalltag.

Macht mich also Teilzeit zu einem “besseren” Vater? Ich weiß es nicht, denn in diesem Zusammenhang das Wort „besser“ zu wählen wäre anmaßend. Aber ich bin mir sicher, dass es etwas mit der Bindung zu meinem Kind macht, dass diese intensiver ist und wird. Der Gedanke macht mich zu einem sehr glücklichen Vater, Gefährten und Vertrauten für meine Tochter. Gleichzeitig verschafft uns diese Entscheidung Freiraum für Ideen, Projekte und Kreativität. Er ermutigt mich und uns an unsere Ziele und Träume zu glauben. Sie nicht einfach nur Träume sein zu lassen, sondern sie weiter beharrlich zu verfolgen. Für uns als Familie.